Was bringen Diäten?
Stehe ich bei meinem wöchentlichen Einkauf im Supermarkt an der Kasse und schaue beim Warten die Cover der Zeitschriften im Regal an, zieht sich – abgesehen von neuen Hochzeiten in Adelshäusern – ein Thema wie ein roter Faden durch sämtliche Käseblätter: Diäten.
»Verlieren sie 10 Kilo in einem Monat!« »Sixpack in 4 Wochen!«
So oder so in der Art schreien mir etliche Titelblätter ins Gesicht.
Diät – ein Trend, dessen Ende nicht absehbar ist. Woher kommt das, frage ich mich.
Diäten – ist das noch gesund?
Wir leben in einer Gesellschaft, die sich stark auf das Äußere fokussiert und genau hier liegt das Problem der ganzen Sache. Laut einer repräsentativen Umfrage geben rund 88 Prozent der Frauen und 76 Prozent der Männer ein »ansprechendes Äußeres« als Hauptziel an, das sie mit einer Diät erreichen wollen. Mit einem gesunden Lebenswandel hat dies allerdings nichts zu tun. Es geht lediglich um die optische Wirkung – der gesundheitliche Aspekt gerät hier völlig in Vergessenheit.
Der Mensch geht nun mal den Weg des geringsten Widerstandes, so war es immer, so wird es immer sein. Vor allem in einer Zeit, in der sich die Welt immer schneller und schneller zu drehen scheint, hören sich Versprechen wie auf den Titeln der bunten Blätter natürlich sehr verlockend an. Zehn Kilo in vier Wochen? Tschüss Schlabberpulli, hallo Sixpack, hallo Bikini!
Wenn ich Lieschen Müller, die eben mit freudigen Augen nach der Vier-Wochen-Zehn-Kilo-Diät-Zeitschrift greift, nun erklären will, dass ein gesunder Gewichtsverlust mit einer nachhaltigen Ernährungsumstellung einhergehen sollte, kombiniert mit vermehrter körperlicher Aktivität, und sich dies über Monate hinziehen wird, dann, ja dann wird sie mir wahrscheinlich naserümpfend die Zeitschrift vor die Nase halten und mir mitteilen, dass die bekannte Ernährungsberaterin XY, die ständig im Frühstücksfernsehen ihre neue Diät propagiert, doch bestimmt mehr Ahnung hat als ich kleiner unwissender Wurm. Und überhaupt: Es steht ja in einer Zeitschrift, also muss es stimmen!
Spätestens nach sechs Wochen, wenn Lieschen Müller frustriert feststellt, dass sie während der Diät zwar ein paar Kilo verloren hat, allerdings zwei Wochen später fünf Kilo mehr wiegt als vor der Diät, wird sie vermutlich an die Begegnung mit mir an der Supermarktkasse denken. Aber widmen wir uns nun den Fakten.
Was ist eine Diät?
Seit Hippokrates wird als Diät eine spezielle Ernährung bezeichnet, bei der man längerfristig oder dauerhaft nur eine bestimmte Auswahl an Lebensmitteln verzehrt. Eine Diät im heutigen Sinne ist im Prinzip eine zeitlich begrenzte, einseitige Ernährung. Man
- verzichtet je nach Art der Diät auf bestimmte Nahrungsmittel,
- reduziert bestimmte Anteile der Ernährung oder
- beschränkt sich auf ein bestimmtes Produkt.
Nach dieser Zeit wird wieder geschlemmt, was das Zeug hält. Bis zur nächsten Diät. Wir zermürben unseren Körper mit so einem Essverhalten und schaden uns mehr, als dass wir einen Nutzen daraus ziehen können.
Der Jojo-Effekt schlägt zurück
Machen wir eine Zeitreise: Wir befinden uns nun als Beobachter in einer Zeit, in der Lieschen Müller nicht Lieschen Müller hieß und in ihrer gemütlichen Eigentumswohnung im schöna Schwobaländle wohnt, sondern in der Steinzeit, in einer Höhle mit ihrem Gefährten und ihrer Sippe. In einer Zeit also, in der Nahrung nicht im Überfluss vorhanden war und es auch mal Tage und Wochen gab, in denen es eben mal nicht täglich Mammutschenkel zum Essen gab.
Warum erzähle ich euch das? Was haben wir schon mit dieser vermeintlich primitiven, altertümlichen Lebensform unserer Urahnen am Hut? Ganz einfach: Es ist die Genetik, die uns mit ihnen verbindet. Unser Körper hat sich seit der Entstehung der Menschheit in den Savannen Afrikas vor vielen hunderttausend Jahren auf längere Hungerperioden eingestellt. Der Mensch hat gelernt, nach einer überstandenen Hungerphase Nährstoffe schnell und effektiv zu speichern, damit bei der nächsten Nahrungsnot mehr Reserven vorhanden sind.
Dass der Homo sapiens in Mitteleuropa jederzeit genügend zu essen hat, ist überhaupt nicht selbstverständlich. Die letzte große Hungersnot in Deutschland mit mehreren 100.000 Toten liegt gerade einmal 70 Jahre zurück! Und 70 Jahre ohne Hunger reichen einfach nicht, um einen evolutionären Prozess auszulösen.
Unterziehen wir unseren Körper den Strapazen einer Diät, wähnt er sich in einer Hungerphase. Und jetzt greift das genetische Programm: Sobald ihr wieder »normal« esst, speichert er Glykogene und Fette vermehrt als Reserve für die nächste schlechte Zeit.
Wenn wir eine Blitz-Diät machen, verliert unser Körper in der kurzen Zeit hauptsächlich Wasser sowie kurzfristig verfügbare Energie aus den Muskelzellen, die somit unterversorgt sind und sich abbauen. Dadurch sinkt auch der Grundumsatz des Körpers, was eine stark beschleunigte Gewichtszunahme bei Herstellung der gewohnten Ernährungsweise zur Folge hat. Wir Essen wieder normal, unser Körper hat aber einen niedrigeren Grundumsatz als vorher und wir haben dadurch einen deutlichen Nährstoffüberschuss, der das Gewicht zusätzlich steigen lässt.
Das ist der so genannte und stark gefürchteten JoJo-Effekt.
Lösungsvorschlag und Beispiel:
Wenn wir nachhaltig etwas an unserem Gewicht zum Positiven verändern wollen, dann funktioniert das ausschließlich über eine dauerhafte Umstellung der Essgewohnheiten, die nicht mit großem Verzicht einhergeht. Es muss eine individuelle Ernährungsstrategie für die jeweilige Person erarbeitet werden, die zum einen praktikabel ist und zum anderen dafür sorgt, dass das Essen trotzdem noch Spaß macht und gut schmeckt.
Es ist der falsche Weg zu sagen: »Essen sie abends kein Fett mehr« oder »Sie dürfen nie wieder stark zuckerhaltige Lebensmittel zu sich nehmen«. Solche Aussagen fördern nur noch mehr Heißhungerattacken.
Ich möchte nun noch ein letztes Mal Lieschen Müller als Beispiel hernehmen.
- Sie ist 56 Jahre alt
- Sie wiegt 70 Kg
- Sie ist 160 cm groß
- Sie treibt keinen Sport
- Sie möchte gerne 10 Kilogramm abnehmen
Sie hat einen Grundumsatz (das ist die Energiemenge, die der Körper pro Tag bei absoluter Ruhe zur Aufrechterhaltung seiner Funktionen benötigt) von etwa 1.350 kcal am Tag. Mit mäßiger körperlicher Betätigung kommt sie auf einen Kalorienbedarf von etwa 1.900 kcal pro Tag.
Ein gesunder Ansatz sind 0,5 Kilo Gewichtsverlust pro Woche, also etwa 2 Kilo im Monat. Das bedeutet für den Körper keinen großen Verzicht in der Ernährung, er gerät nicht in eine »Hungernot« und der gefürchtete JoJo Effekt bleibt aus. Kombiniert Lieschen Müller das mit mehr Bewegung und leichter sportlicher Aktivität, kann sie für ihr Ziel, 10 Kilo abzunehmen, etwa fünf bis sechs Monate einplanen.
Diäten sind schädlich und machen keinen Spaß!
Diäten verursachen mehr Schaden, als dass ihr einen Nutzen davon habt. Statt irgendwelchen Heilsversprechen nachzurennen, solltet ihr euch stattdessen ausgewogenen und frisch ernähren. In dieser Ernährung sollten alle Bestandteile in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen, damit euer Körper alles bekommt, was er braucht und keine Mangelerscheinungen entwickelt. Ihr werdet mir bestimmt Recht geben, dass jemand, der nur leicht einsparen muss, deutlich glücklicher ist als jemand der sich über Wochen mit nur 800 Kalorien durch den Tag quält, um kurze Zeit später das ganze verlorene Gewicht zurück zu erhalten.
Lediglich krankheitsbedingte Diäten – wie etwa bei Adipositas Grad 2 und höheren Stadien, die zudem unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden – sind richtig, wichtig und sinnvoll. Aber diese Art der Diäten findet Ihr nicht in den bunten Blättern an der Supermarktkasse.