Hilfe, mein Rücken hat Schnupfen!

Was haben Rückenschmerzen mit einem Schnupfen gemeinsam? Für diese Frage müssen wir uns in unserer Vorstellung einen Schnupfen vor Covid in Erinnerung rufen. Dann sollten wir die Frage nach diesem Artikel beantworten können.

Es gibt viele Arten von Rückenschmerzen

Rückenschmerz ist eine Volkskrankheit. Es gibt beinahe so viele Synonyme wie Lokalisationen für die Schmerzen an unserem Rückgrat. Die einen haben einen ‚Hexenschuss‘ oder es ist ihnen ‚ins Kreuz gefahren‘. Manche haben einen ’steifen Hals‘ oder einen ‚Zug‘. Ärzte und Ärztinnen sprechen von einem ‚Lumbago‘, einer ‚Lumbalgie‘ oder einem ‚gesicherten Kreuzschmerz‘ – Manchmal tauchen die Schmerzen in der Brustwirbelsäule (BWS) auf, mal in der Halswirbelsäule (HWS) oder in der Lendenwirbelsäule (LWS). Eines haben alle diese Begriffe und Lokalisationen gemeinsam: Sie schränken uns in unserem Alltag ein und sollen so schnell wie möglich wieder verschwinden.

Um das Thema etwas greifbarer zu machen, möchte ich zunächst einige Beispiele für mögliche Ursachen der Beschwerden anführen:

  • muskuläre Verspannungen
  • lokale Entzündungen
  • akutes Trauma
  • Überbelastung
  • Frakturen
  • Protrusionen der Bandscheiben (Vorwölbungen)
  • Prolaps der Bandscheibe (Bandscheibenvorfall)
  • Neuralgische Schmerzen
  • Tumore
  • Osteoporose

Dem gegenüber stehen noch einige Risikofaktoren, welche nicht zwangsläufig zu Rückenschmerzen führen müssen, aber unter bestimmten Voraussetzungen deren Entstehung begünstigen können:

  • Bewegungsmangel
  • sitzende Tätigkeiten
  • Rauchen
  • Skoliose
  • körperlich schwere Tätigkeiten
  • einseitige Belastungen
  • Stress
  • Schlafmangel
  • risikoreiche Sportarten
  • Übergewicht
  • psychische Erkrankungen
  • das liebe Alter
  • genetische Disposition
  • Ernährung

Damit haben wir nun viele Ursachen und Risikofaktoren beisammen, welche Rückenschmerzen auslösen können oder zumindest an deren Entstehung  beteiligt sein können. An diesem Punkt möchte ich nun gerne auf den Schnupfen zurückkommen.

Was also haben nun meine Rückenschmerzen mit einem Schnupfen gemeinsam?

Aus rein medizinischer Sicht natürlich im Grunde gar nichts. Das eine ist ein Symptom für eine Erkrankung der oberen Atemwege, das andere ist ein Symptom für eine Störung am Bewegungsapparat. Bei genauem lesen fällt allerdings auf, dass es doch eine Gemeinsamkeit gibt. Es handelt sich in beiden Fällen lediglich um Symptome! Nun kommen wir zu den richtig guten Nachrichten: In beiden Fällen sind eine überwältigende Anzahl in ihrem Erscheinen harmlos und verschwinden nach einiger Zeit wieder, ohne das ich etwas unternehmen muss.

In Zahlen bedeutet das für die Rückenschmerzen, dass sie in etwa 85-90% der Fälle unspezifischer Natur sind. Es gibt also keine erkennbare Ursache für die Schmerzen. Lediglich in 10-15% der Fälle kann somit eine eindeutige Ursache in Verbindung gebracht werden. Dabei spricht man dann von spezifischen Rückenschmerzen.

Nun kommt das ABER

Schön wäre es natürlich, wenn der Artikel hier enden würde und wir uns alle nie wieder Gedanken über Rückenschmerzen machen müssten. Aber guten Gewissens, kann ich das hier leider nicht machen.

Denn auch wenn die Rückenschmerzen keine erkennbare Ursache haben, so sind sie dennoch real. Und fast jeder kennt sie. 2019 gaben etwa zwei Drittel aller Einwohner*innen in Deutschland an, in den letzten 12 Monaten Rückenschmerzen gehabt zu haben. Mit zunehmenden Alter steigt auch die Wahrscheinlichkeit, Rückenschmerzen am eigenen Leib erfahren zu haben.

Auf die leichte Schulter sollte man die Schmerzen also vor allem dann nicht nehmen, wenn sie immer wieder kommen und wir sie scheinbar nicht kontrollieren können. Denn Schmerz ist ein Hinweis darauf, dass uns unser Körper etwas mitteilen möchte.

Aber was möchte mir mein Körper denn sagen?

Wenn ich diese Frage eindeutig beantworten könnte, wäre mir mit Sicherheit ein Beitrag in den meisten medizinischen und psychologischen Fachzeitschriften sicher. Leider muss ich darauf noch etwas länger warten. Aber die zweite gute Nachricht heute ist, dass auch wenn wir es nicht genau wissen, wir die Schmerzen beeinflussen können. Diese Tatsache macht sich die Physiotherapie bei Rückenschmerzen zu nutze. Um den/die Patienten/in gezielt bei der Linderung der Schmerzen und im Idealfall zur gänzlichen Verbannung zu unterstützen, muss sich der/die Therapeut*in ein genaues Bild über das Auftreten der Schmerzen, den Alltagsbelastungen, Gewohnheiten und Aktivitäten machen. Dieser Anamnese folgt eine Befundung, bei der eingeschränkte Bewegungen erfasst und dokumentiert werden. Auf Basis der erhaltenen Daten, entwickelt der/die Therapeut*in ein auf den Patienten/die Patientin zugeschnittenes Therapieprogramm, welches unbedingt auch das Mitwirken des Patienten/der Patientin beinhalten sollte! Denn das Ziel ist es, dem Schmerz den Schrecken zu nehmen und ihn für den Patienten zu einer beeinflussbaren Komponente zu machen.

„Der Patient soll zu seinem eigenen Therapeut werden“

Den Schmerz verstehen

Wenn ich verstehe wann der Schmerz entsteht und wie ich ihn beeinflussen kann, ist die Tatsache die genaue Ursache nicht zu kennen gar nicht mehr so schlimm. Fragen die ich für mich persönlich, ohne in physiotherapeutischer Behandlung zu sein klären kann, könnten folgendermaßen lauten:

  • Wann treten die Schmerzen auf? Mögliche Antwort: nach einer langen Autofahrt = einseitige Belastung in einer gebeugte Position der Lendenwirbelsäule
  • Hatte ich neue/ungewohnte körperliche Belastungen? Mögliche Antwort: einem Freund beim Umzug geholfen = ungewohnte, körperlich schwere Belastung
  • Habe ich momentan Stress? Mögliche Antwort: neuer Job = lange Arbeitstage und viel neuer Input
  • Schaffe ich einen Ausgleich zu meiner Alltagsbelastung? Mögliche Antwort: ich bin meinem Fitnessstudio wird nur noch als Sponsor verbunden = fehlender Ausgleich

Die genannten Beispiele können mir einen Hinweis geben und ich kann eventuell auch selbst schon erste Maßnahmen ergreifen.

Den Schmerz hinter mir lassen

Oftmals reicht diese Eigenanamnese bereits aus um den Schmerz zu beeinflussen. In Verbindung mit physiotherapeutischer Unterstützung, lassen sich die meisten Beschwerden positiv modifizieren. Gerade die Termine bei der Physiotherapie sollte ich nutzen, um meinen Bewegungsapparat neu zu justieren und Gewohnheiten zu verändern. Wichtig ist eine langfristige Zielsetzung.

Meine Patienten/innen fragen mich häufig, was die besten Aktivitäten oder Sportarten sind damit ihre Schmerzen weg bleiben. Die Antwort darauf ist ebenso kompliziert wie simpel. Es muss langfristig funktionieren und vor allem im Alltag realistisch umsetzbar sein. Gerne vergleiche ich die Umstellung der Bewegungsgewohnheiten mit einer nachhaltigen Umstellung der Ernährung. Diese ist immer einer Diät vorzuziehen, da kurzfristige Diäten meist zwar schnell zum Erfolg führen, einem allerdings häufig mit dem Jo-Jo Effekt wieder um die Ohren fliegen.

Die ultimative Sitz-/Liege- oder Stehposition…

…existiert leider nicht. Wenn ich ein Vielsitzer bin, sollte ich vermutlich mehr Stehen und vor allem Gehen. Wenn ich viel Stehe, eventuell mehr Gehen, oder wenn möglich mich auch mal setzen. Wenn ich keinen Sport treibe, mir Gedanken darüber machen, mit welchen Sportarten ich mich anfreunden kann. Das ist aber alles keine Garantie, dafür sind Rückenschmerzen viel zu individuell und ich muss mir die Zeit dafür nehmen, die ich benötige.

Zum Abschluss möchte ich aber gerne trotzdem noch eine allgemein-gültige Aussage zu Bewegung geben. Auf die Frage welches im Alltag die beste Bewegung ist, kann ich ganz klar sagen:

Die Nächste ;-)

Wie du deinen inneren Schweinhund los wirst, erfährst du hier: Der Innere Schweinehund – Wie werde ich ihn los?